Dr. Alexander Schintlmeister
Zusammenfassung
Ausgehend von praktischen Erfahrungen von über
10 Expeditionen werden methodische Hinweise zum erfolgreichen Sammeln von
Nachtfaltern (Lepidoptera: Heterocera) in den Tropen Südostasiens
gegeben. Da die Zerstörung der Regenwälder wohl global nicht
mehr aufzuhalten ist, andererseits die Nachtfalterfaunen der Tropen noch
fast unbekannt sind, sollten verstärkte Anstrengungen unternommen
werden um noch rechtzeitig diese Faunen zu dokumentieren.
Seit 1979, als ich meine erste Reise zur Erforschung
der Nachtfalter Sumatras unternahm, zieht es mich regelmäßig
in die Tropen Südost-Asiens um die dortigen Schmetterlingsfaunen,
vorzugsweise die Nachtfalter kennenzulernen.
Umfangreichere Aufsammlungen unternahm ich bislang
in Burma, Malaysia (zweimal), Sumatra (dreimal), Sulawesi (zweimal), Ceram,
Palawan, Luzon (zweimal), Mindanao und einigen kleineren Inseln wie Nias,
Ambon, Mindoro etc.
Dabei unterscheidet sich das Sammeln und Beobachten
von Nachtfaltern (Heterocera) grundsätzlich von dem der Tagfalter
(Rhopalocera), sieht man von einigen Arten und Gattungen tagaktiver Heterocera
(z.B. Zygaenidae, einigen Sphingiden, Agaristiden oder auch manchen Kleinschmetterlingen)
einmal ab.
Während das Gepäck eines Tagfalterspezialisten
verhältnismäßig unbeschwert ist, benötigt der Liebhaber
der Nachtfalter zumindestens eine zeitgemäße Ausrüstung
für den Lichtfang - die mit Abstand erfolgreichste Methode um Heteroceren
anzulocken. Der Aufwand sollte nicht unterschätzt werden: ein tragbarer
Stromerzeuger (Generator), Benzinvorrat, eine weiße Leinwand als
Ruheplatz für die anfliegenden Falter (mindestens 2 x 3m), eine Lichtquelle,
vorzugsweise aus Gewichtsgründen eine Mischlichtlampe (HQM), die ohne
Vorschaltgerät auskommt, Regenschutz für die Lampe sowie zum
Betäuben bzw. Töten der Falter 6 bis 8 Gläser, die mit Zyankali
oder Essigsäureäthylester beschickt werden. Alles zusammen wiegt
etwa 20kg, und hier genau liegt einer der Gründe, warum Nachtfalter
in den Tropen nur selten gesammelt werden. Entsprechend gering ist auch
unser Kenntnisstand der Nachtfalterfaunen im Vergleich zu den Tagfaltern.
Entscheidend für den Erfolg einer auf Nachtfalter
orientierten Unternehmung ist neben der Ausrüstung vor allem die Wahl
des richtigen (und interessanten) Fangplatzes. Nach meinen Erfahrungen
in den Tropen Asiens scheint dabei die geographische Lage des Fangortes
keine besondere Rolle zu spielen. Ich habe beispielsweise in analogen Biotopen
sowohl in Nordsumatra als auch in Westsumatra oder im Süden der Insel
einheitliche Nachtfalterfaunen festgestellt. Es ist deshalb vorteilhafter,
längere Zeit an einem Ort zu bleiben und die sich darauf zu konzentrieren
den besten Fangplatz zu finden, als große Distanzen über
Land zurücklegen zu wollen. Demgegenüber trifft man auf den einzelnen,
auch kleinen Inseln verhältnismäßig eigenständige
Faunen, so daß "Island-hopping" durchaus sinnvoll ist.
Der ideale Fangort liegt an einem steil abfallenden
Südhang in unmittelbarer Nähe von primären Regenwald. Sehr
günstig sind Felder im Urwald oder Richtfunkstationen, da einerseits
durch die vorhanden Hütten und der meist sehr gastfreundlichen
Menschen die Versorgung mit Lebensmitteln sowie der Schutz vor Witterungsunbilden
sichergestellt ist. Andererseits ist gerade die Übergangszone zwischen
Kulturland und Urwald anscheinend für das Fangergebnis sehr günstig.
Entscheidend bei der Wahl des optimalen Biotops ist die Höhenzone. Zwischen 1000-1800m Höhe trifft man sowohl die meisten Flachlandarten als auch schon Gebirgstiere an. Hat man die Möglichkeit, sollte man unbedingt versuchen in Höhenlagen oberhalb 2000m zu sammeln. Diese Zone der Nebelwälder beherbergt zahlreiche der interessantesten Arten. Interessant deshalb, weil wegen der schwierigen Erreichbakeit (keine Straßen) die Faunen dieser Höhenlagen wissenschaftlich fast unbekannt sind. Andererseits finden sich hier Endemiten - oftmals mit Reliktcharakter - in besonders großer Konzentration. Werden Berge bestiegen ist den geologisch älteren Gebirgsmassiven vor den jungen Vulkanen unbedingt der Vorzug zu geben. Gerade in den Hochlagen der älteren Gebirge wie beispielsweise in der Mountains Province in Nord-Luzon (Mt. Amuyao, Mt. Pulis) gelangen mir einige spektakuläre Entdeckungen von für die Wissenschaft neuen Arten aus den verhältnismäßig gut bekannten Familien der Sphingidae oder der Saturniidae. Ganz offensichtlich spielen diese älteren Gebirgsstöcke für die Evolution der Lepidopteren der asiatischen Inseln eine überragende Rolle.
Ein weiterer Aspekt den Gebirgen den Vorzug zu
geben ist die weitgehende Unabhängigkeit von klimatischen Einflüssen
sowie der Mondphase. Es ist allgemein bekannt, daß die Vollmondphase
in den gemäßigten Zonen negative Auswirkungen auf das Anflugergebnis
von Heteroceren hat. In den Tropen, wo der Mond viel heller scheint als
in Europa, kann man sich bei klarem Himmel und den 5 Tagen um Vollmond
getrost schlafen begeben. Das Anflugergebnis wird nach meinen Erfahrungen
stets nahe Null liegen. Im Gebirge, mit regelmäßiger nächtlicher
Wolken- und Nebelbildung, hat man auch während der Vollmondphase noch
die Chance wenigstens ein mäßiges Ergebnis zu erzielen. In tief
eingeschnittenen Tälern ist der störende Einfluß des Mondes
außerdem nur während eines Teils der Nacht spürbar. Auch
Phasen von Trockenheit - die im Flachland die Fluglust der Nachtfalter
stark hemmt - sind im Gebirge weit seltener.
Wichtig für den erfolgreichen Nachtfang
ist auch ein entsprechendes Durchhaltevermögen was den Schlaf betrifft.
Denn ganz offensichtlich haben die meisten der Nachtfalter "ihre Stunde"
und wer meint um Mitternacht ins Bett gehen zu müssen, wird sehr viele
Arten niemals zu Gesicht bekommen. Während die meisten Arctiidae oder
Pyralidae sich vor Mitternacht am Leuchttuch einfinden, gehören Saturniden
oder auch Notodontiden vorzugsweise zu den späten Gästen. Selbst
in der Morgendämmerung fliegen noch verschiedene Arten ans Licht,
besonders einige Macroglossum oder Panacra (Sphingidae) die nur zu dieser
Stunde zu erbeuten sind.
Last not least noch einige Bemerkungen zum Naturschutz. Ist das "massenhafte wegfangen" von Nachtfaltern in den Tropen überhaupt zu verantworten? Abgesehen davon, daß die wenigen Sammelunternehmungen, die sich mit nachtaktiven Insekten befassen nur über eine sehr kurze Zeitspanne auf die betroffenen Biotope einwirken und die Eingriffe durch das Absammeln auch nicht annähernd zu Schwankungen im Bestand führen können wie er beispielsweise durch natürliche Einflüsse (längere Regen-oder Trockenperioden, Waldbrände) hervorgerufen wird, ist die Antwort vergleichsweise einfach. Dr. E. W. Diehl, der sich seit über 30 Jahren um die Erforschung der Insektenfauna speziell Nordsumatras sehr verdient gemacht hat formulierte: "... was jetzt nicht gesammelt wird, kann bald nie mehr gesammelt werden" (Diehl 1980). In der Tat liegt das Problem des Naturschutzes in den mit exponentieller Geschwindigkeit dahinschmelzenden Regenwäldern, die die notwendige Lebensgrundlage für 90% der Lepidopterenfauna in den Tropen Asiens sind. Dieser Prozeß, ausgelöst durch die Bevölkerungsexplosion und den heutigen technischen Möglichkeiten einer anscheinend leider nicht vernunftbegabten Menschheit (inklusive in den sogenannten Industrieländern der "1. Welt", die sich ja eifrigst am Raubbau der tropischen Regenwälder beteiligen) ist unumkehrbar. Da meiner Meinung die Anzahl der bereits in weiten Teilen der Tropen Südostasiens lebenden Menschen ein "kritisches Maß" auch schon überschritten hat, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann der zweite Teil der obigen Prognose von Diehl eintrifft. Die Einrichtung von großflächigen Naturschutzgebieten könnte diesem Trend wohl noch entgegensteuern. Indes ist es nach meiner Kenntnis der derzeitigen Verhältnisse in Asien aber nur schwer vorstellbar, daß derartigen Gedanken in der knappen noch zur Verfügung stehenden Zeit das Handeln unter den dortigen Politikern bestimmen würden. So erscheint es in einer solchen Situation wichtig, durch verstärkte Anstrengungen beim rechtzeitigen Einsammeln von Belegen, das Basismaterial für ganze Wissenschaftsrichtungen wie etwa der Zoogeographie, der Systematik oder der Evolutionsforschung sicherzustellen.
Literatur
BARLOW, H. (1982): An introduction to the moths
of South East Asia. 305pp. + 50 pls. - Kuala Lumpur.
DIEHL, E.W. (1980): Sphingidae. - Heterocera
Sumatrana 1. vii + 97pp, Pematang Siantar (N.Sumatra).
SCHINTLMEISTER, A. (1980): Erfahrungen einer
entomologischen Sammelreise nach Sumatra. - Atalanta 11: 147-157.
- (1981): Fünf neue Notodontidae aus Sumatra.
- Atalanta 12: 285-291.
- (1982): Zur Problematik des Umweltschutzes
in Sumatra. Eindrücke aus emtomologischer Sicht. - Neue Ent. Nachr.
2: 3-8.
- (1987): Ein Beitrag zur Nachtfalterfauna von
Vietnam (Lepidoptera: Notodontidae, Lymantriidae) - Entomofauna 8: 53-67.
- (1989) A contribution to the knowledge of the
moth fauna of Thailand (Lepidoptera: Notodontidae, Lymantriidae). - Tinea
12: 215-230.
- (1993): Die Zahnspinner der Philippinen. Ergebnisse
zweier Sammelreisen 1988 (Lepidoptera: Notodontidae). - Nachr. entmol.
Ver. Apollo, Frankfurt. Im Druck.