Mitteilungsblatt Leipziger Entomologen
 
Entomologische Beobachtungen in der Bergbaufolgelandschaft südlich von Leipzig

Dietmar Klaus, Rötha

Während sich z.B. die Ornithologen schon seit vielen Jahren mit der Besiedlung ehemaliger Tagebauflächen beschäftigen, liegen entomofaunistische Erhebungen für diese Gebiete nur lückenhaft vor und berücksichtigen meist nur wenige Insektengruppen. Relativ gut sind wir über das Auftreten von Laufkäfern (Carabidae) auf Kippenflächen unterrichtet (für den ehemaligen Tagebau Böhlen z.B. siehe DUNGER 1968). Neuerdings liegen auch umfangreiche Daten für das Vorkommen von Libellen (Odonata) in Tagebaurestgewässern vor: u.a. Restloch Kahnsdorf (MAUERSBERGER 1993), Restloch Zechau (JUNGMANN & SYKORA 1993). POLLER & HÖSER (1993) nennen noch einige wenige Fundorte für drei Heuschreckenarten (Saltatoria; Acrididae; Oedipodinae) und verstreut finden sich noch Angaben zum Auftreten von Schmetterlingen (Lepidoptera). Weitere Angaben zu diesen Gruppen schlummern noch in den Beobachtungsbüchern bzw. Dateien verschiedener Entomologen und harren auf ihre Veröffentlichung. Für die meisten taxonomischen Gruppen innerhalb der Insekten sind die Bergbauflächen in unserer Region jedoch nicht bearbeitet. Dies ist um so bedauerlicher, da viele dieser wertvollen Sonder- und Extremstandorte mit ihren Bewohnern (oftmals "Rote-Liste-Arten") in nächster Zeit im Zuge von Sanierungsarbeiten verschwinden werden. Somit werden die Vorkommen vieler Insektenarten unbekannt bleiben und damit Bemühungen um ihren Schutz (Erhalt bzw. möglicher Ersatz der Lebensräume) gar nicht erst unternommen. Allerdings gilt dies nur mit Einschränkungen, denn es hat sich gezeigt, da der Schutz von seltenen Biotoptypen (z.B. Magerrasen, vegetationsarme Rohbodenstandorte), die bzw. aus botanischer, avifaunistischer oder herpetologischer Sicht bemerkenswert erscheinen, auch den dort lebenden (seltenen bzw. gefährdeten) Insektenarten zugute kommt.
Ohne das vorhandene Wissensdefizit zur Entomofauna in der Bergbaufolgelandschaft im Südraum von Leipzig abbauen zu können, sollen im folgenden einige eigene Beobachtungen, die während verschiedener Exkursionen in diesem Gebiet gemacht wurden, dargestellt werden.
 

1. Halde Trages.
 
Diese, in den Jahren 1938-1948 aufgeschüttete Halde liegt ca. 15 km südöstlich der Stadt Leipzig zwischen den Ortslagen Mölbis, Trages, Thierbach und dem Werksgelände Espenhain.
Da z.B. am Südhang völlig sterile, extrem saure Sande an der Oberfläche zur Verkippung kamen, sind diese Bereiche auch heute nur lückig bewachsen bzw. weisen auch größere vegetationsfreie Stellen auf. Hier sind dann in den Sommermonaten verschiedene wärmeliebende Insektenarten anzutreffen. Die lückigen Magerrasen werden z.B. von der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) und der Gefleckten Keulenschrecke (Myrmeleotettix maculatus) besiedelt. An der Böschungsoberkante, im Randbereich des unbefestigten Zufahrtsweges treten Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) sowie Nachtigall Grashüpfer (Chorthippus biguttulus) und Brauner Grashüpfer (Ch. brunneus) auf. In geschützter Lage (unter überhängenden Wegböschungen, unter Gehölzen), sind zahlreiche Trichter von Ameisenlöwen zu finden. Die Bestimmung eines Tieres ergab, da es sich um die Larve der Gemeinen Ameisenjungfer (Myrmeleon formicarius) handelte. Die gesamte Familie Myrmeleonidae ist unter Schutz gestellt. Im selben Lebensraum sind Sandwespen (Ammophila und verwandte Gattungen) zu beobachten und in den späten Nachmittagsstunden wärmen sich Libellen (z.B. Großer Blaupfeil, Orthetrum coerulescens) auf den angewärmten, sandigen Substraten. Tagsüber patrouillieren Heidelibellen (Sympetrum sp.) entlang des Weges, auf dem sich auch der Gemeine Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida) niederläßt. Ab dem frühen Nachmittag läßt das Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima) seinen Gesang ertönen und macht so lautstark auf sich aufmerksam. Allerdings verstummt es sofort bei der Annäherung eines Beobachters - rechtzeitig durch seinen empfindlichen - Erschütterungssinn gewarnt, und ist schwer in der Vegetation zu entdecken.
Als eine der weniger häufigen Baumwanzen im Gebiet zählt die Streifenwanze (Graphosoma lineatum), die 1991 auf der Halde am Rande der aufgeforsteten Plateaufläche beobachtet werden konnte.
 

2. Restloch "Absetzer 13" (südlich Zwenkau)

Dieses relativ kleine, langgestreckte Restloch wird im Westen durch eine Steilböschung begrenzt, im Osten schließt sich eine aufgeforstete Kippenfläche an. Die Sohle der Hohlform ist mit Wasser bedeckt, das derzeit künstlich auf niedrigem Stand gehalten wird.
Interessant ist z.B. die am Südwestufer vorhandene Feinsandaufschüttung, die in etwa dem Charakter einer Binnendüne entspricht. Überraschend hoch ist die Anzahl des auf dieser Fläche vorkommenden Gemeinen Sandlaufkäfers (C. hybrida). Unter einem (Elektro-) Schaltschrank, vor Regen geschützt, befindet sich eine Ameisenlöwen Kolonie. Dabei liegen die einzelnen Trichter so dicht nebeneinander, da bei den zeitweise notwendig werdenden "Erdarbeiten" (d.h. Trichter-Neuprofilierung) die "Aushubmassen" in den Nachbartrichtern zu liegen kommen, deren Bewohner ihrerseits die Fängigkeit ihres "Kraters" wieder herstellen müssen. Stichprobenhaft wurde auch hier ein Tier auf Artzugehörigkeit untersucht. Dabei handelte es sich um die Larve der Gefleckten Ameisenjungfer (Euroleon nostras), eine Art, die auf der Roten Liste der BRD steht.
Daneben treten wiederum Sandwespen (Ammophila sp.) und die Langfühler-Dornschrecke (Tetrix tenuicornis) auf. In feuchteren Bereichen wird letztere durch die Säbeldornschrecke (Tetrix subulata) ersetzt. An Libellen konnte der Plattbauch (Libellula depressa) bei der Revierverteidigung beobachtet werden und die Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca) flog im Frühjahr 1993 im Gebiet. Ob sich allerdings der Restloch-See aufgrund seines niedrigen pH-Wertes als Reproduktionsgewässer eignet ist zumindest fraglich.
Weitere hier vorkommende Insekten, die eine Bindung an Gewässer besitzen sind die Schlammfliege bzw. Wasserflorfliege Sialis lutaria (Ordn. Megaloptera), der Gemeine Teichläufer oder Stelzenfuß (Hydrometra stagnorum), Wasserläufer der Gattung Gerris (beides Ordn. Heteroptera) sowie Eintagsfliegen (Ordn. Ephemeroptera).
Für dieses Tagebau-Restloch liegen bemerkenswerte Daten zur Nachtfalterfauna vor (KAISER / JEWORUTZKI), welche die Bearbeiter sicher an anderer Stelle zugänglich machen werden.
 

3. Tagebau-Restloch Kahnsdorf (südlich Rötha)

Für diesen ausgekohlten Tagebau konnte MAUERSBERGER (1993) 23 Libellenarten nachweisen. Eine erwarte, aber bislang von ihm nicht beobachtete Art, konnte im Sommer 1993 mehrfach in unmittelbarer Nähe im Norden des Restloches beobachtet werden: die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea).
Zur Heuschreckenfauna zählen wiederum die beiden blaugeflügelten Oedipodinen (S. caerulans, Oe. caerulescens) sowie die Gefleckte Keulenschrecke (M. maculatus). Von den Sandlaufkäfern kommt natürlich wieder C. hybrida vor.
In geringer Zahl konnte 1993 auch der Sandohrwurm festgestellt werden. Allerdings scheint der hier besiedelte Lebensraum (verdichtete, kiesige Fläche an der Oberkante) nicht optimal zu sein, denn - im Gegensatz zu anderen Fundorten - verlief an manchen Tagen die Kontrolle der Versteckplätze ergebnislos, d.h. die Tiere verlassen (bes. bei trockener Witterung) ihre bisherigen Versteckplätze.
Innerhalb der Westböschung wird die Schutzwirkung eines Schwellenstapels (gegenüber Niederschlägen) von Ameisenlöwen (Euroleon nostras) zur Anlage ihrer Trichter genutzt. Da im Spätherbst 1993 die Wasserhaltung im Restloch aufgegeben wurde, geriet die Grubensohle bereits im Winter vollständig unter Wasser, so da die vorher dort vorhandene Biotopvielfalt aus kleineren Wasserflächen, oligotrophen terrestrischen Bereichen, Kieshügeln usw. verlorenging. Dies hat sicher Auswirkungen auf das Oedipoda Vorkommen, welches sich nur auf die ehemaligen Trockenflächen der Sohle beschränkte als auch auf die Libellenbesiedlung, da jetzt nur noch ein einheitliches, größeres (und tieferes) Gewässer zur Verfügung steht.

Auffallend ist die weitgehende Übereinstimmung des Artenspektrums gleicher Biotoptypen in der Bergbaufolgelandschaft, so da sich bei Berücksichtigung entscheidender Faktoren (Alter der Flächen, Entfernung zu anderen Fundgebieten) das Auftreten mancher Insektenarten voraussagen läßt. Beispiele dafür sind z.B. Sand- und Ödlandschrecke. Auch die Libellenbesiedlung verschiedener ehemaliger Tagebaue ähnelt sich stark. Mit zunehmendem Alter bzw. mit einem erhöhten Angebot unterschiedlich strukturierter Habitate erhöht sich die Zahl der nachgewiesenen Arten. Für das Restloch Zechau z.B., wo der aktive Bergbau 1959 zu Ende ging, wurden bisher über 30 Libellenarten nachgewiesen.

Literatur

DUNGER, W. (1968): Die Entwicklung der Bodenfauna auf rekultivierten Kippen und Halden des Braunkohlentagebaues. - Abh. Ber. Naturkundemus. Görlitz 43/II: 1-256
JUNGMANN, E. & SYKORA, W. (1993): Zur Entwicklung der Libellenfauna (Odonata) im Naturschutzgebiet Tagebaurestloch Zechau. - Mauritianum (Altenburg) 14: 144-147
MAUERSBERGER, R. (1993): Bemerkenswerte Libellenfunde in einem Braunkohlen-Tagebau südlich von Leipzig (Odonata). - Ent. Nachr. Ber. 37: 63-65
POLLER, U. & HÖSER, N. (1993): Zum Vorkommen der Heuschrecken Sphingonotus caerulans, Oedipoda coerulescens und O. germanica in der Bergbaufolgelandschaft zwischen Altenburg/Thüringen und Borna/Sachsen (Saltatoria, Caelifera). - Mauritianum (Altenburg) 14: 33-36
 

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